Eine feministische Außenpolitik ist eine queere Außenpolitik

02.05.22 –

Die deutsche Außenpolitik hat seit dem Beginn der Ampel-Koalition einen erfreulichen neuen Kurs eingeschlagen. Die von konservativer Seite belächelte „Feministische Außenpolitik“ beschreibt einen Paradigmenwechsel und letztlich einen Anspruch an uns selbst. Es geht dabei u.a. darum, Frauen und anderen marginalisierten Gruppen in der Welt die Stimme zu geben, die sie in ihren Gesellschaften nicht haben.

In letzter Konsequenz heißt das, dass eine feministische Außenpolitik auch eine queere Außenpolitik sein muss.

Und eine solche ist dringend nötig. Denn in vielen Gebieten der Welt leben queere Menschen in unmittelbarer Lebensgefahr, am Rande ihrer Gesellschaft, versteckt oder in Selbstverleugnung. In 69 Staaten werden queere Menschen strafrechtlich verfolgt. In einigen droht sogar die Todesstrafe. Aber auch in Staaten, in denen es formal keine Gesetze gibt, die beispielsweise Homosexualität Nichtbinarität unter Strafe stellen kann es zu Verfolgung kommen. Nicht selten ist die gewissermaßen privatisiert, ermöglicht durch einen antagonistischen und passiven Staatsapparat, der den Tätern nicht im Weg steht.

Leider mussten wir in den letzten Jahren feststellen, dass erkämpfte Rechte nicht in Stein gemeißelt sind. Auch in befreundeten Staaten nutzen reaktionäre Kräfte queere Menschen für ihren Kulturkampf. Das heizt nicht nur die Stimmung an; es führt auch zu Gesetzen, die das queere Leben im eigenen Land unsichtbar und schwieriger machen sollen. Diese Entwicklung sehen wir sogar in Mitgliedsstaaten unserer eigenen Europäischen Union.

Vor dem Hintergrund unserer Geschichte aber auch unseres eigenen Anspruchs brauchen wir eine queere Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik.

Wir müssen denen eine Stimme geben, die ihre nicht erheben können, ihren Schutz und ihre Rechte bei diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen berücksichtigen, und Verfolgten Hilfe anbieten.

Ukraine

Der Krieg in der Ukraine ist für alle Ukrainer*innen und Menschen aus Drittstaaten, die dort leben, eine Katastrophe. Für queere Menschen verschärft sich die Situation allerdings auf vielfache Weise.

Während es vielen Personen gelang, aus dem Land zu fliehen, war dies für trans* Frauen und nichtbinäre Personen mit einem „M“ im Pass nur in wenigen Ausnahmefällen möglich. Dokumente, um diese Ausnahmen festzustellen, setzen eine funktionierende Verwaltung voraus, die derzeit jedoch nur noch in Ausnahmefällen arbeitet. Bereits vor dem Krieg war die Situation für queere Menschen in der Ukraine schwierig und für trans* Personen gibt es keinen klaren Status in offiziellen Dokumenten. Behelfsmäßig arbeiten derzeit Personen, die versuchen Evakuierungen aus dem Land zu organisieren mit der psychiatrischen Diagnose F64-0. Sie findet international Verwendung, aber als Krankheitsdiagnose ist sie alles andere als ideal und stellt auch keinen rechtlichen Status dar.

Des Weiteren ist die Ukraine von vielen Gütern abgeschnitten, darunter die Lieferung von Hormonpräparaten sowie anderer Medikamente, die speziell für viele trans* Personen sehr wichtig sind. Angesichts der vielerorts zusammengebrochenen Gesundheitsversorgung stellt dies die betroffenen Personen vor existenzielle Probleme.

Auch darf nicht vergessen werden: Wenn Regionen unter russischen Einfluss geraten, bedeutet dies für alle queeren Menschen eine ernsthafte Gefahr. Auch wenn sog.„Todeslisten“ gegenüber queeren Menschen und insb. Aktivist*innen nicht bestätigt sind, deuten entsprechende Berichte doch auf die extreme Gefahr für sie hin. Für queere Personen, die aus Russland in die Ukraine geflüchtet sind, bedeutet der russische Einmarsch nun eine erneute Gefährdung ihres Lebens.

Unsere Kernanliegen sind:

  • Trans* Frauen und nichtbinäre Personen müssen, unabhängig von ihrem Personenstand, das Land verlassen können. Kurzfristig bedarf es für diesen Personenkreis offener Grenzübergänge von der Ukraine in alle Staaten der Europäischen Union und gegenüber den ukrainischen Partner*innen muss die Bundesregierung dieses Problem thematisieren.
  • Zudem bedarf es gezielter humanitärer Unterstützung für queere und andere marginalisierte Personen in der Ukraine (etwa hinsichtlich der Versorgung mit Hormonpräparaten oder HIV-Medikation).
  • Die Bundesregierung muss die besondere Bedrohungslage für queere Menschen – wie auch für andere marginalisierte Gruppen – anerkennen und gegenüber den ukrainischen und europäischen Partnern thematisieren.
  •  Im Rahmen des aktuellen Ergänzungshaushalts die Bedarfe queerer Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, berücksichtigen und für Unterstützungsangebote die Finanzierung sicherstellen (etwa hinsichtlich medizinischer Versorgung und der Unterstützung der Ländern bei der Bereitstellung sicherer Unterkünfte).

Solidarisch mit allen geflüchteten Menschen

Es ist für jeden Menschen eine Katastrophe, wenn das eigene Land im Krieg versinkt und die Flucht ins Ungewisse die einzige Überlebenschance darstellt. Deshalb begrüßen wir, wenn Geflüchtete aus der Ukraine bei uns Aufnahme, Sicherheit und eine Perspektive bekommen. Es ist auch erfreulich, dass in ganz Europa eine breite Aufnahmebereitschaft vorhanden ist. Wir sollten aber auch ehrlich mit den Motiven der zum Teil neuen Großzügigkeit auch in Teilen unserer Gesellschaft umgehen.

Es mag auch der unmittelbare Eindruck eines Krieges in der Nachbarschaft oder die Solidarität mit einem Volk, dass von einem aggressiven Diktator angegriffen wird sein. All das sollte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass viele mit Geflüchteten aus einem europäischen Land anders umgehen. Einige kommunizieren das auch ganz offen.

 

Für uns haben alle Menschen, die vor Krieg oder Verfolgung fliehen, den gleichen Stellenwert und das selbe Recht auf Schutz und Würde.

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